Vor der Arbeitsagentur an der Grafenberger Allee steht ein kleiner Backstein-Turm. Wie ein dicker Bleistift ragt er empor – und sieht völlig fehl am Platz aus. Dabei ist aus seiner Sicht sicherlich alles um ihn herum fehl am Platz, denn er war zuerst hier. Es handelt sich um den ehemaligen Uhrenturm beziehungsweise Pförtnerturm der Haniel-Lueg’schen Eisenwerke. Erbaut wurde der Turm 1904 nach Plänen des Architekten Hermann von Endt, von dem ein noch viel bekannteres „Pförtnerhaus“ in Düsseldorf stammt: die Villa Horion (über sie habe ich hier auch schon geschrieben), die „Pförtnerhaus von Mannesmann“ genannt wurde.
Heinrich Lueg hatte im Jahr 1873 zusammen mit seinem Schwager Franz Haniel und dessen Verwandten Louis Haniel die OhG Haniel & Lueg, Maschinenfabrik für Eisenbahn-, Bergwerks- und Schiffsgeräte in Düsseltal gegründet. Schon zu Anfang beschäftigte die Firma 225 Arbeiter und Angestellte.
Zum Kerngeschäft des Unternehmens entwickelte sich die Produktion neuer Geräte für den Tiefbau, später im Besonderen für Ölbohrungen. Ab 1883 war es als eines der ersten Unternehmen in der Lage, Senk- und Bohrschächte niederzubringen. 1906 beschäftigte Haniel & Lueg 2.000 Mitarbeiter.
1928 wurde das Unternehmen von der Oberhausener Gutehoffnungshütte übernommen – über deren Abkürzung GHH man dort lästerte, sie stünde für „Gehört hauptsächlich Haniel“. Als Teil des Konzerns blieb das Unternehmen bis 1986 bestehen.
Der Uhrenturm aber blieb bis heute. Er ist das letzte bauliche Relikt dieser bedeutenden Produktionsstätte und ein wichtiges Zeugnis der Industrialisierung Düsseldorfs. Ursprünglich waren an den Turm noch Pferdeställe, Aufenthaltsraum für Kutscher, Abstellräume für Wagen und Sozialräume angebaut. Angeblich befanden sich dort die Stechuhren der Arbeiter.
1995 wurde das Baudenkmal renoviert. 56 hölzerne Treppenstufen führen Besucher bis hinauf in die Laterne.
Viele Jahre lang hatte die Hermann-Harry-Schmitz-Societät im Uhrenturm ihren Sitz, bis sie sich Ende 2022 auflöste. Noch immer ist in der Laterne ein Teil der Sammlung zu sehen, die dem Düsseldorfer Satiriker gewidmet ist. Der Uhrenturm versteht sich weiterhin als das „kleinste Kulturinstitut der Stadt Düsseldorf“.
Das ungewöhnliche Baudenkmal wird seit diesem Jahr von der Alde Düsseldorfer Bürgergesellschaft 1920 e. V. gepflegt.
Seit dem Denkmaltag 2023 ist im Uhrenturm eine Ausstellung über die Düsseldorfer Radschläger zu sehen. Lebendige Tradition und Geschichte mit Ausstellungsstücken aus dem Bestand der Alde Düsseldorfer – die ja den Radschlägerwettbewerb der Düsseldorfer Schulen initiiert und organisiert – und dem Postkartenarchiv von Gerd Schlüter, der die schönsten Stücke aus seiner europaweit größten Sammlung präsentieren.
Die Ausstellung wird noch bis Oktober gezeigt. Dann geht der Uhrenturm – er ist zwar mit Strom und Wasser versorgt, aber ohne Heizung – in die alljährliche Winterpause.
Uhrenturm Haniel & Lueg
Grafenberger Allee 312
Düsseldorf